
Die steuerliche Situation international tätiger Politikerinnen und Politiker ist eine Herausforderung, insbesondere wenn sie in einem Land arbeiten und in einem anderen leben. Der folgende Fall veranschaulicht die komplexen Fragen der internationalen Besteuerung.
Ausgangsbasis: Im Rahmen einer TV-Sendung am 16.02.2025 hat der Moderator der Kandidatin die Frage gestellt, wo sie steuerlich ansässig sei, wo ihren Hauptwohnsitz sei und wo ihre Einkünfte besteuert werden.
1. Ansässigkeit: Doppelbesteuerungsabkommen-deutschland-schweiz
Die steuerliche Beurteilung ergibt sich aus den Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Deutschland-Schweiz. Die vorliegenden Ausführungen stellen keine präzise steuerliche Analyse dar, da sie ohne Unterlagenprüfung erfolgten. Eine verbindliche Beurteilung erfordert alle relevanten Dokumente und kann nur durch die zuständigen Melde- und Steuerbehörden in der Schweiz und in Deutschland erfolgen. Grenzüberschreitende Steuerfragen sind komplex und erfordern eine individuelle Prüfung, um steuerliche Risiken zu vermeiden.
2. Anwendung des DBA Deutschland-Schweiz
Die grundsätzliche Steuerpflicht wird durch das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland-Schweiz geregelt.
Die steuerliche Ansässigkeit richtet sich nach einer Reihenfolge von den folgenden Kriterien:
- Stufe: Ständige Wohnstätte: Die Kandidatin macht ihren Wohnsitz und ihre Anmeldung in Deutschland geltend. Ihre Lebenspartnerin wohnt in der Schweiz, ist aber auch in Deutschland genau wie ihre Kinder gemeldet.
-
Stufe: Mittelpunkt der Lebensinteressen: Berufliche und politische Tätigkeit in Deutschland sprechen für eine Bindung an Deutschland,
private Verhältnisse - für einen Lebensmittelpunkt am Wohnsitz der Familie. Eine Person kann lt. Rechtsprechung nur einen Lebensmittelpunkt haben.
Die schweizerischen sowie die deutschen Behörden haben ihre Checklisten zur Ermittlung des Lebensmittelpunkts erstellt. Sie können diese z. B. hier online bestellen. - Stufe: Gewöhnlicher Aufenthalt: Aufenthaltszeiten in beiden Ländern sind für die unbeschränkte Steuerpflicht entscheidend (mind. 183 Tage in Deutschland oder 90 Tage in der Schweiz ohne Arbeit).
- Stufe: Staatsangehörigkeit: Falls keine klare Zuordnung erfolgt, entscheidet die Staatsbürgerschaft. Die Kandidatin ist Deutsche. Die eidgenössische Bürgerschaft liegt nicht vor. Daraus folgt, dass Deutschland der primäre "Steuerstaat", also "Ansässigkeitsstaat im Sinne des DBA" sein könnte, sofern die Prüfung des Lebensmittelpunkts keine eindeutigen Ergebnisse liefern würde.
In der vorliegenden steuerrechtlichen Fragestellung ist somit zu klären, a) unter welchen Bedingungen und b) auf welche Einkünfte Deutschland ein Besteuerungsrecht ausüben kann, sofern der Lebensmittelpunkt einer Person angenommenen Weise in der Schweiz liegt, an dem Ort, an dem die Familie lebt.
3. Grundsätze: Steuerrechtlicher Wohnsitz
Der steuerrechtliche Wohnsitz einer natürlichen Person befindet sich an dem Ort, an dem sie sich mit der Absicht des dauerhaften Verbleibens aufhält. Falls eine Person regelmäßig an mehreren Orten lebt, gilt derjenige Ort als steuerrechtlicher Wohnsitz, zu dem die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen bestehen – dieser wird als Lebensmittelpunkt bezeichnet.
Der Lebensmittelpunkt wird anhand objektiver Kriterien bestimmt, darunter:
- Familiäre und gesellschaftliche Beziehungen
- Berufliche Tätigkeit und wirtschaftliche Interessen
- Aufenthaltsdauer und Nutzung der Wohnräume
Erklärte Absichten oder emotionale Präferenzen sind nicht entscheidend. Ebenso wenig sind formale Aspekte wie An- oder Abmeldungen ausschlaggebend. Der steuerrechtliche Wohnsitz bestimmt die unbeschränkte Steuerpflicht, die sich auf alle Einkünfte (in der Schweiz auch auf alle Vermögenswerte und Eigenmietbesteuerung bei Eigennutzung privater Immobilien aufgrund der Vermögens- und Eigenmietbesteuerung) erstreckt, soweit diese nicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit an einem anderen Ort steuerpflichtig sind (z. B. Immobilien oder Geschäftssitze im Ausland).
Eine längere Abwesenheit aus der Schweiz führt nicht automatisch zur Aufgabe des steuerrechtlichen Wohnsitzes, wenn die Rückkehr von Anfang an vorgesehen ist (z. B. befristeter Auslandaufenthalt, Beibehaltung einer Wohnung oder eines Fahrzeugs mit Schweizer Kontrollschildern).
4. Ehegatten und eingetragene Partnerschaften
4.1 Gemeinsamer Wohnsitz
Ehegatten haben grundsätzlich einen gemeinsamen steuerrechtlichen Wohnsitz, der sich dort befindet, wo sie gemeinsam leben. Dies gilt auch, wenn sie sich an einem gemeinsamen Arbeitsort als Wochenaufenthalter aufhalten.
4.2. Wochenaufenthalt eines Ehegatten
Falls ein Ehepartner unter der Woche als Wochenaufenthalter am Arbeitsort lebt und an den Wochenenden zur Familie zurückkehrt, gilt i.d.R. der Familienort als steuerrechtlicher Wohnsitz beider Ehepartner.
4.3. Getrennte Wohnsitze für Ehegatten
Falls Ehegatten dauerhaft an verschiedenen Orten leben und ihre arbeitsfreie Zeit nicht regelmäßig gemeinsam verbringen, kann jeder Ehepartner einen eigenständigen steuerrechtlichen Wohnsitz haben. Die wirtschaftliche Einheit bleibt jedoch lt. aktueller Rechtsprechung bestehen, solange keine rechtliche oder tatsächliche Trennung erfolgt. Für eine angenommene Trennung sprechen i.d.R. folgende Tatsachen, Ehepartner leben mind. ein Jahr räumlich und finanziell getrennt (vgl. Entscheid vom 27.01.2021 (DB.2020.123, 1 ST.2020.141, ZH).
4.4 Leitende Stellung und getrennte Wohnsitze
Ein separater steuerrechtlicher Wohnsitz kann auch bestehen, wenn ein Ehepartner eine leitende Position innehat. Dies gilt insbesondere, wenn:
- Die Person ein bedeutendes Unternehmen, Verein, Partei leitet
- Besondere Verantwortung trägt
- Eine größere Anzahl an Mitarbeitenden (ca. 100 Personen) führt
- Die berufliche Beanspruchung so hoch ist, dass soziale und familiäre Beziehungen in den Hintergrund treten.
4.5 Personen in eingetragener Partnerschaft oder langjährigen Konkubinaten
Die Regelungen für Ehegatten gelten sinngemäß auch für:
- Partnerinnen und Partner in eingetragener Partnerschaft
- Langjährige Konkubinatspaare (mindestens fünf Jahre Beziehung oder gemeinsame Kinder)
In steuerlicher Hinsicht werden Konkubinatspaare jedoch weiterhin getrennt besteuert.
5 Abkommensrechtliche Ansässigkeit und Besteuerungsrecht
- Die abkommensrechtliche Ansässigkeit wird, wie oben dargestellt, unter anderem durch den Lebensmittelpunkt bestimmt.
- Der Lebensmittelpunkt eines verheirateten Steuerpflichtigen liegt nach ständiger Rechtsprechung am Ort, an dem seine Familie wohnt und wo seine Kinder in Kindergarten oder Schule gehen. Liegt dieser in der Schweiz, so ist die Person grundsätzlich in der Schweiz ansässig.
- Deutschland kann dennoch in diesem Fall ein zusätzliches Besteuerungsrecht geltend machen, wenn eine ständige Wohnstätte oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland besteht.
- In der Schweiz ist ein Nebenwohnsitz bei Hauptwohnsitz im Ausland im Gegensatz zu Deutschland in manchen Kantonen möglich. Das deutsche Meldegesetz unterscheidet nicht zwischen dem ersten und dem zweiten Wohnsitz. Eine Wohnung in Deutschland wird einfach als sog. „bezogene Wohnung im Melderecht und steuerlicher Wohnsitz im Steuerrecht" erfasst.
6. Beurteilung der Einkunftsart und Besteuerung
- Einkünfte: In dem vorliegenden Fall wird das Einkommen als deutsche Bundestagsabgeordnete augenscheinlich aus deutschen öffentlichen Kassen gezahlt. Die Besteuerung dieser Einkunftsart unterliegt dem Kassenstaatsprinzip.
- Nebeneinkünfte (z. B. aus Aufsichtsratsmandaten, Vorträgen, Beratungsaufträgen): Sofern diese vorliegen würden, was einem unbeteiligten Dritten nicht bekannt ist, müssen diese je nach Art und Herkunft von Steuerbehörden betrachtet werden.
7. Vermeidung der Doppelbesteuerung
Gemäß Artikel 24 des DBA D-CH gibt es zwei Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung:
- Freistellungsmethode: Die Schweiz verzichtet auf die Besteuerung der Einkünfte, die in Deutschland besteuert wurden.
- Anrechnungsmethode: Die in Deutschland gezahlte Steuer wird auf die Schweizer Steuer angerechnet.
Laut Artikel 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA D-CH gilt konkret: Bezieht eine in der Schweiz ansässige Person Einkünfte, die nach dem Abkommen in Deutschland besteuert werden dürfen, so nimmt die Schweiz diese von der Besteuerung aus. Allerdings kann sie den Steuersatz für das übrige Einkommen oder Vermögen so berechnen, als wären diese Einkünfte nicht freigestellt.
8. Auswirkungen in der Schweiz
Nach Schweizer Rechtlage werden Ehepartner und verheiratete gleichgeschlechtliche Paare als wirtschaftliche Einheit betrachtet und gemeinsam veranlagt, sofern rechtliche Trennung nicht gegeben ist. Falls ein Ehepartner bzw. die ganze Familie in der Schweiz aufgrund des Hauptwohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig sein sollte, was nur Melde- und Steuerbehörden prüfen können, kann das gemeinsame Einkommen der Familie samt die in der Schweiz ggf. steuerfreien Einkünfte aus Deutschland den Steuersatz der Familie beeinflussen (Progressionsvorbehalt). Das bedeutet, dass die in der Schweiz steuerfreie Einkünfte für die Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt, aber nicht direkt in der Schweiz besteuert werden. Das Besteuerungsrecht in Deutschland bleibt unberührt.
In Bezug auf die Schweizer Vermögensbesteuerung können keine Angaben gemacht werden, da nicht bekannt ist, ob die Schweiz der Hauptwohnsitz der Familie ist. Vermögensverhältnisse sind ebenfalls nicht bekannt.
Fazit
- Der steuerrechtliche Wohnsitz richtet sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt, nicht nach rein formalen Kriterien.
- Ein vorübergehender Auslandaufenthalt (unter zwei Jahren) ändert in der Regel nichts an der Steuerpflicht in der Schweiz.
- Wochenaufenthalter und Ehegatten können ausnahmsweise unter bestimmten Umständen getrennte steuerrechtliche Wohnsitze haben.
- Die Regelungen für Ehegatten gelten auch für eingetragene Partnerschaften und langjährige Konkubinate.
Für eine individuelle steuerliche Beurteilung ist immer eine Einzelfallprüfung notwendig.
Empfohlene Maßnahmen für Personen mit den vergleichbaren Fällen:
- Dokumentation des Lebensmittelpunkts zur Vermeidung steuerlicher Unsicherheiten (hier können Sie die gratis Checkliste anfordern)
- Verbindliche Auskunft bei deutschen und schweizerischen Steuerbehörden einholen, um Doppelbesteuerung zu vermeiden,
- Dokumentation der Aufenthaltszeiten in beiden Ländern,
- Beobachtung von DBA-Änderungen ab 2025, die hybride Tätigkeitsmodelle betreffen könnten.
Internationale Steuerfragen erfordern eine sorgfältige Analyse. Berufspolitiker mit Wohnsitz in einem Land und beruflicher Tätigkeit in einem anderen müssen das DBA beachten. Frühzeitige Steuerplanung hilft, Konflikte zu vermeiden. Ein gut dokumentierter Steuerstatus ist essenziell – denn in der internationalen Besteuerung zählt jedes Detail.
Sollten Sie weitere Fragen zu dieser steuerrechtlichen Thematik haben, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.